
Ich gucke täglich durch viele Fenster, durch reale, durch virtuelle. Ich schaue jedes Mal in Innenräume, wenn ich andere Blogs besuche. Lese ich Tweets, tue ich es. Surfe ich auf fb rauf und runter, tue ich es und wenn ich Bücher lese, ebenfalls. Schauen.
Hin meistens, weg manchmal, denn es kommt vor, dass ich, was ich sehe, kaum aushalte. Ja, oft bin ich betroffen von dem, was ich sehe, zuweilen schockiert. Ab und an traurig. Manchmal genervt. Oft freudig. Ja, zum Glück auch das. Ausblenden kann ich noch immer schlecht. Vor allem nicht, wenn es um Leid und Not geht. Und wenn, nur mit einem latent schlechten Gewissen.
Informationen. Gedanken anderer. Werbung auch. Kommentare. Massenhaft neue Eindrücke, die ich in mir aufnehme.
Wie war das eigentlich früher? Wie war es, als ich jung war, so jung, wie jene Leute, die heute über soziale Medien ihr ganzes Leben mit der anonymen und zum Teil bekannten Mitwelt teilen?
Nein, wer jetzt auf mein früher war alles besser! wartet, oder auf ein verzweifeltes Wo das wohl alles hinführt?, den oder die muss ich enttäuschen. Das wird kein Jammerartikel. Davon gibt’s genug. Abgesehen ist nicht wirklich alles besser gewesen.
Verdauung. Darum geht’s hier und heute. In mir drin passiert das Phänomen Verdauen ohne mein Dazutun. Das ist in mir so eingebaut (bei dir auch, vermute ich). Ebenso wie Magen und Darm zusammen arbeiten, arbeiten auch mein Kopf und mein Herz mit Augen und Ohren, Nase, Zunge, Haut und meinem sexten und siebten Sinn zusammen. Sie vermengen die Summe meiner Wahrnehmungsorgane zu etwas Eigenem.
Wie ich heute endlich mal wieder meine Wohnung putzte, mit Staubsauger und Schrubber fuhrwerkte und dabei nebenher und, wie gesagt, ohne mein Dazutun meine mentale Verdauung auf Hochtouren lief, wurde auf einmal eine Song von Patent Ochsner in mir drin immer lauter:
Ich verfüge über das zweifelhafte Talent eines ausgeprägten akustischen Gedächtnisses. Zwar vergesse ich viele Namen, Gesichter auch zuweilen, aber Stimmen und Songs bleiben haften, wenn ich sie einige Male gehört habe. Songs samt Melodien und Texten. Sie vorsingen könnte ich aber nicht. Ich kann sie nur innendrin abspielen, abrufen. Mit allen Synkopen und so. Ziemlich kuhl das.
Kurz bevor ich den Sauger und den Schrubber wieder wegräumte, tönte nur noch der Schwanz des Liedes in meiner inneren Endlosschlaufe.
… u dä boum treit honigsüessi frücht
dert isch scho widr dr wurm drin.
(Und dieser Baum trägt honig-süße Früchte.
Dort ist schon wieder der Wurm drin.)
Und die Moral von der Geschicht‘?
Gibt es heute leider nicht.
Oder vielleicht die hier: Akzeptieren, dass das Leben nichts liefert, ohne dass darin nicht schon dessen Zerfall mitgeliefert wäre.
Und doch: es wäre halt schon tammi schön, wenn es zumindest einen kleinen geschützten Ort für jede/n von uns gäbe, wo es einfach nur gut wäre. Nur honigsüße Früchte und genug von allem. Keine Würmer, Viren, Feinde, Quälgeister, Gefahren …
Was wäre wenn …? Nein, das gibt es nicht, sorry.
Alles ist.
Alles ist abschiedlich, vergänglich, ungefähr und vorläufig.
Alles ist immer nur jetzt so.
Gopf, das ist doch einfach normal, dass das Leben so ist. Wann check‘ ich es endlich?
Und doch: es wäre halt schon tammi schön …