Hätte sich jemand vor, sagen wir mal, siebzig Jahren vorstellen können, dass wir heute Daten in irgendwelchen virtuellen Clouds im Cyberspace speichern können? Dass wir Bilder aus dem unsichtbaren Nichts abrufen und auf dem Bildschirm eines Plastikdings, das wie ein Fenster aussieht – das wir souverän mit Tasten und einem weiteren handtellergroßen Plastikteilchen namens Maus bedienen –, betrachten können?
Möglicherweise gab es Visionärinnen und Visionäre, für die solche Gedanken vorstellbar gewesen sind, doch die meisten hätten den Kopf geschüttelt und dir den Vogel gezeigt, wenn du – zu Besuch aus der Zukunft – mit solcherlei Schwachsinn aufgetaucht wärst. Flächenland lässt grüßen.
Sage ich dir heute, dass ich mir die Welt (alles, was ist), ähnlich vernetzt wie Internet vorstelle, schüttelst du womöglich den Kopf und redest von Evolution, Darwin und Zufall. Oder du redest von Gott und Bibel und heiligem Geist. Oder du redest von Allah. Oder von Quantenphysik. Ach, sag mir, Gretchen …
Dass ich mir die Welt, sichtbares ebenso wie unsichtbares, vorstelle wie eine Art geisiges, ideelles Internet, hängt damit zusammen, dass ich Erfahrungen und Erlebnisse gemacht habe, die auf solche Zusammenhänge hinweisen. Wissen, das nicht gewusst werden kann, war auf einmal da. Informationen, die nicht gewusst werden konnten, wurden auf einmal gewusst.
Eine Information von einer Wissensquelle (Wikipedia zum Beispiel) auf einen Datenträger (den Rechner zum Beispiel) holen, ist heute Alltag. Irgendwo hat jemand eine Quelle mit Wissen gespeist, das eigentlich schon immer da war. Aber dieser Jemand fasst es in Worte und lädt es für alle zugänglich ins Internet hoch. So einfach funktioniert Wissenstransfer in der Jetzt-Zeit. Datentransfer. Einsen und Nullen.
Das gesamte Wissen über alle Dinge, über die großen und die kleinen, ist da. Unfassbar. Doch nur deshalb unsichtbar, weil uns die Sinne fehlen, es zu sehen. Alles ist in uns, oder sagen wir es so: wir sind – via geistiges WLAN an alles Wissen angeschlossen, das irgendwo-nirgendwo-überall in einem unermesslichen Datenspeicher, der ohne Glasfaserkabel auskommt, lagert. Innen und außen. Wie außen so innen. Auch das Wissen über mein und dein Leben – irgendwo ist es. In mir. In dir. Und überall. Glücklicherweise nicht für alle zugänglich und abrufbar. Zumal nicht alle Menschen in der Lage sind, Daten abzurufen. Zum einen, weil sie das Talent dazu nicht haben, und zum zweiten, weil sie die Passwörter nicht kennen. Ja, die gibt es, die Passwörter und Codes. Und ich, ich habe es in der Hand, wem ich meine Passwörter verrate.
Für einen Schreibauftrag habe ich die spannende Aufgabe bekommen, Menschen mit solcherlei Talent zu testen. Skeptisch habe ich mich an die Arbeit gemacht. Zwei medialen Künstlerinnen habe ich einige wenige Codes verraten, damit sie meine unsichtbaren Ordner öffnen können. Die eine hat mir bereits geantwortet, gestern, und die Antwort der zweiten erhalte ich am Freitag.
Gestern morgen ein persönliches Gespräch mit einer älteren, weisen Frau. Wir schneiden dies und das an und auf einmal plingt es bei mir. Der Groschen fällt. Ich verstehe einen meiner vielen Fingerhüte (siehe Artikel Monokultur und.).
Am Nachmittag gehe ich mit Freundin L. spazieren. Wieder zuhause, bei Vermicelles und Tee, erzähle ich ihr von meinem Wunsch, eines Tages Australien oder Neuseeland zu bereisen. Eine unbenennbare Sehnsucht, ein Fernweh, wie ich es auch bei Skandinavien hatte, bevor ich zum ersten Mal in den Norden gereist bin. Vor allem das fehlende Geld hielt mich bisher von einer Reise nach Downunder ab. Und wohl auch mein ökologisches Gewissen. Doch der Traum ist alt. Zwanzig Jahre mindestens.
Als L. abfährt, öffne ich erwartungsvoll das Paket, das mir die erste Künstlerin per Post geschickt hat. Finde Bild und Text. Post aus der nächsten Dimension, auf gut Flächenländisch gesagt.
Alles zu zitieren würde viel zu weit führen und natürlich weiß ich, dass solche Texte mit Vorsicht zu genießen sind. Auch sind Interpretationen nie vor Übersetzungsfehlern gefeit. Skepsis gut und schön. Misstrauen auch. Aber … großes Aber. Da heißt es nämlich: „Als Land ist Australien und Neuseeland gut für dich, […] tanke diese Energie auf.“
Ich bin verblüfft. Bei nicht wenigen weiteren Textpassagen muss ich leer schlucken, da einige Sätze erstaunliche Ähnlichkeit mit meinen Tagebuchnotizen und Gedanken haben. Und da steht auch etwas ganz ähnliches, wie das, was ich gestern Morgen auf einmal und mit großem Pling verstanden habe. Obwohl ich selbst mediale Fähigkeiten und diesbezügliche Erfahrungen gemacht habe, bin ich berührt. Betroffen. Erstaunt. Obwohl ich weiß, dass und wie es funktioniert. Alles ist vernetzt.
Nun bin ich gespannt auf Freitag. Auf das zweite Bild und den zweiten Text. Irgendwie hoffe ich auf eine unübersehbare gemeinsame Schnittmenge. Und darauf, dass ich verstehe. Dass ich endlich verstehe, was mir das Leben sagen will. Nichts anderes als Übersetzerinnen sind sie, die beiden Frauen, die für mich die Codes in den unsichtbaren, morphogenetischen Rechner eingegeben und meine Ordner geöffnet haben. Ordner, deren Inhalt sich immer wieder ändert. Überschrieben wird von Updates. Was bin ich neugierig!
Doch vorher heißt es, meine beiden letzten Kurstage zu ertragen, morgen und übermorgen, und von dort bestmögliche Erfahrungen mitzunehmen. Und vielleicht sogar ein paar weitere Erkenntnisse über das Leben.